Bayerisch-Tiroler Schlagabtausch um LKW Blockabfertigung
Das österreichische Inntal ist vor allem für seine Idylle, die grünen Berge und den Skisport bekannt. Seit März 2020 macht die Region aber auch wegen der Blockabfertigung Schlagzeilen. Schon seit 2012 ist die hohe Belastung auf der Strecke von Bayern durch Tirol ein brennendes Thema zwischen den beiden Ländern. Politiker aus zwei Legislaturperioden versuchen angestrengt eine Lösung zu finden. Bis dato mit nur geringem Erfolg. Österreich hat mit der überwachten Blockabfertigung nun die Notbremse gezogen und hofft mit der strikten Maßnahme den Brenner Transit auf die Schiene verlagern zu können.
Auswirkungen der Blockabfertigung – Anwohner und Berufsfahrer bleiben auf der Strecke
Kurz hinter der bayerischen Grenze im Tirol auf der Inntalautobahn blinken zahlreiche Warnlichter der LKW. Die Lastkraftwagen werden auf die rechte Spur verwiesen und müssen sich hinter einer Ampel einreihen. Jetzt geht erst einmal gar nichts mehr. Die Zahl der LKW, die über die Grenze dürfen, ist zu Stoßzeiten auf nur 200-300 Fahrzeuge pro Stunde reduziert. Im Rückspiegel noch mehr leuchtende Lichter. Der Stau kann sich an den “dosierten” Tagen bis zu 30 Kilometer fast nach München ziehen. Gesteuert wird das Ganze von Verkehrspolizisten im südlichen Inntal. An der Anzahl von bis zu 5000 LKW pro Stunde ändert dieses Vorgehen der Tiroler aber vorerst noch nichts. Auch die Zahl der Unfälle steigt an diesen Tagen. Genervte Autofahrer weichen auf riskante Überholmanöver aus, um dem Stau zu entkommen. Laut dem CSU-Europaabgeordneten Markus Ferber werden Anwohner in ihrer Bewegungsfreiheit gehindert und das Unfallrisiko erhöht sich merklich. LKW-Versicherungen werden in Zukunft also noch leistungsstärker abgeschlossen werden müssen. Leider sind es auch nicht nur die Fernfahrer, die von der Blockabfertigung betroffen sind. So berichtet ein örtlicher Busunternehmer aus Nußdorf, dass er sogar mit einer Polizeieskorte Kinder in die Schule gefahren hat. Auch die Anwohner, Pendler und Rettungsdienste stecken im Stau. Die Maßnahme ist also nicht nur ein Problem für Lastkraftwagenfahrer im Brenner Transit, sondern für alle Verkehrsteilnehmer.
Angebrachte Notbremse oder gesetzeswidrige Unverhältnismäßigkeit?
Der neue bayerische Verkehrsminister hofft nun auf Unterstützung von der EU-Kommission und bat in einem Brief das Gremium: “ernsthaft zu prüfen, ob sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einleiten kann”. Das hilft selbstverständlich nicht der nachbarschaftlichen Beziehung zwischen den Ländern, aber zeigt deutlich, dass besonders die bayerische Seite sich in einer Notlage sieht. Die Tiroler argumentieren: “Unsere eigenen Experten in der Landesverwaltung, unterstützt von juristischen Fachleuten von der Universität Innsbruck, haben genau überprüft, was wir machen können, dass es dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entspricht und der europäischen Gesetzgebung gehorcht.” Ingrid Felipe (Die Grünen), Stellvertreterin der Tiroler Landesregierung. Ihr Vorgesetzter, Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und der Großteil der Anwohner stehen geschlossen hinter Felipe:
„Deutschland steht in der Verantwortung, dass die Zulaufstrecken gebaut werden für diesen Eisenbahnkorridor von Berlin bis Palermo“, so Platter. Er bezeichnete die Blockabfertigung als Notwehr. Man müsse sich gegen die Verkehrslawinen wehren. Laut Umfragen stimmt auch die Bevölkerung ihm zu. Stimmen aus der Politik hinter der österreichischen Grenze lassen verlauten, dass sie Verständnis haben.
Kein Vorankommen im Inntal
Alle 12 Sekunden donnert ein LKW durch das malerische Tirol. Dass das für Bürger unangenehm ist, steht außer Frage. Beide Seiten sehen sich im Recht und Österreich ist zu diesem Zeitpunkt nur bereit, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, wenn Deutschland Zugeständnisse macht. Laut Ingrid Felipe könnte das in Form einer Maut geschehen. Der Verkehr auf den Straßen soll unattraktiver werden. Immerhin verlangt die Schweiz doppelt und Frankreich sogar dreimal so viel an Autobahngebühren. Bereits vor zehn Jahren schlossen die beiden Länder einen Staatsvertrag über die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene ab. Das ist seither nicht geschehen und die Tiroler sehen sich daher in der “Opferrolle” und verlangen Maßnahmen zur Umsetzung des Abkommens. Bis dahin werden sie an der Blockabfertigung und Fahrverboten festhalten. Sie nehmen den Rückstau in Kauf und hoffen damit nun endlich eine dauerhafte Lösung für das Problem zu finden.
Von der Politikarena in die Wirtschaft
Auf dem zwölften Symposium für Logistik trafen die beiden Opponenten Ingrid Felipe und Christian Bernreiter, nun aufeinander. Auch hier kam es zu keinem gemeinsamen Konsens. Bernreiter besteht auf der Aussage, dass der dosierte Verkehr nur in absoluten Ausnahmesituationen gerechtfertigt sei. Linder zufolge fordern Politiker und Bürger auf der Tiroler Seite sogar noch härtere Vorgehensweisen wie die Maut oder komplette Fahrverbote auf Landstraßen. Ein Team aus Vertretern der Handels- und Wirtschaftskammern aus Bayern, Tirol und Bozen sollen nun künftig die Lage beobachten und einen gemeinsamen Weg aus der Verkehrskrise finden. Damit wird die Bundesregierung endlich aktiv und laut dem bayrischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger sollen die Vertrauensleute aus der Wirtschaft die Situation entschärfen. Seiner Meinung nach müsse die Regierung dafür sorgen, dass der Güterverkehr mit der Bahn günstiger wird. Die Staus sind laut Aiwanger “eine Zumutung für alle Beteiligten.” Das ist leider aber auch schon alles, in dem die Österreich und Bayern übereinstimmen. Das es so nicht weitergehen kann und die Verkehrslage im Tirol entschärft werden muss, liegt auf der Hand. Wie sich das aber genau gestalten soll, steht noch im Sternenhimmel über den beschaulichen Tiroler Bergen.